1. Die Ökobilanz in der Gebäudeenergieberatung – ein Überblick
2. Methode Ökobilanz
Das nachhaltige Bauen und Sanieren leistet einen entscheidenden Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele und Reduzierung der Importabhängigkeit von fossilen Energieträgern. Die Ökobilanz (engl. Life Cycle Assessment, LCA) ist eine Methode, um die Umweltwirkungen, wie zum Beispiel das "Treibhauspotenzial", also den Beitrag zur Erderwärmung, von Produkten und Dienstleistungen messbar zu machen. Im Gebäudebereich lässt sich damit die ökologische Nachhaltigkeit verschiedener Baukonstruktionen und Energieversorgungssysteme (Heizung, Trinkwarmwasser etc.) ermitteln und optimieren.
Mit der Methodik der Ökobilanz wurde Ende des letzten Jahrhunderts der Grundstein für eine transparente Bewertung der komplexen Umweltwirkungen von Produkten und Dienstleistungen gelegt.
Eine Ökobilanz analysiert den Lebensweg eines Systems, das eine oder mehrere Funktionen haben kann. „Systeme“ können dabei zum Beispiel Baustoffe, Bauprodukte oder auch ganze Gebäude sein. Des Weiteren können Ökobilanzen für alle Arten von industriellen Gütern und auch Dienstleistungen erstellt werden, sind also nicht auf den Bausektor beschränkt. Bei Produkten betrachtet man für eine Ökobilanz die Lebensstadien Rohstoffgewinnung, Herstellung, Verarbeitung und Transport, gegebenenfalls auch Gebrauch, Nachnutzung und Entsorgung.
Abb. 1: Ökobilanzierung (Ilg 2009)
Unterschieden wird unter anderem zwischen „Cradle-to-Grave“-Betrachtungen, die den gesamten Lebenszyklus eines Produkts untersuchen und „Cradle-to-Gate“-Betrachtungen, bei denen nur die Herstellung des Produkts „von der Wiege bis zum Werkstor des Herstellers“ bewertet wird.
In den Lebenszyklusabschnitten bzw. den enthaltenen Prozessen des untersuchten Produktsystems werden Stoff- und Energieflüsse ermittelt, die im Austausch mit der Umwelt stehen und dort eine Wirkung entfalten können. Dies sind in der Regel der Bezug von Energie und Rohstoffen und die Abgabe von Abfällen sowie gasförmigen oder flüssigen Emissionen. Alle Stoffe können daraufhin den Wirkungskategorien zugeordnet werden, in denen sie eine Wirkung entfalten und innerhalb ihrer Gruppe mit stoffspezifischen Faktoren, die die Wirkung je Menge des Stoffes in Bezug auf eine Referenzsubstanz angeben, gewichtet werden. Infolge dieser Zuordnung und Gewichtung („Klassifizierung“ und „Charakterisierung“ genannt, siehe Kapitel 4.2) ist für das untersuchte Produktsystem in jeder Wirkungskategorie die Angabe der Umweltwirkungen durch die Menge der Referenzsubstanz mit der gleichen Wirkung wie alle Stoffe zusammen möglich.

Stoff- und Energieflüsse | GWP-Faktor | Wirkungspotenzial |
---|---|---|
25 kg CO2 | 1* | = 25 kg CO2-Äquivalent |
2 kg CH4 (Methan) | 21* | = 42 kg CO2-Äquivalent |
Total | = 67 kg CO2-Äquivalent |
* Tabellenwerte. 1 kg CH4 ist in der Treibhauswirkung äquivalent zu 21 kg CO2.
Die resultierenden Umweltwirkungen können sich dabei im zeitlichen und geografischen Rahmen unterscheiden. Treibhausgase wie CO2 sind ein Beispiel für Emissionen mit globaler Wirkung über viele Jahrzehnte.
Umgekehrt hat saurer Regen infolge von schwefelhaltigen Brennstoffen und deren säurebildenden Abgasen in den 90er Jahren Schäden an heimischen Wäldern verursacht. Niederschlag nimmt die Luftverschmutzung auf, weswegen die Verweildauer in der Atmosphäre geringer ist und ein räumlicher Zusammenhang zwischen Ort der Emission und Ort der Wirkung besteht. Die Wirkung ist also eher lokal und von relativ kurzer Dauer. Die resultierenden Schäden können allerdings durchaus länger anhalten.
Weitere Beispiele für Wirkungen sind die Schädigung der Ozonschicht durch Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKWs) oder ein schädliches Pflanzenwachstum mit Sauerstoffzehrung in Gewässern („Eutrophierung“) durch einen hohen Nährstoffeintrag infolge von übermäßiger Düngung in der Landwirtschaft.
Die klimatischen Bedingungen und damit einhergehend die Flora und Fauna unterscheiden sich von Ort zu Ort. Die Wirkung, die ein Stoff an einem konkreten Ort entfaltet, kann sich von der Wirkung an einem anderen Ort unterscheiden. Üblicherweise wird daher von einer potenziellen Umweltwirkung, einem Umweltwirkungspotenzial (UWP) im Zusammenhang mit der Emission von Stoffen und Energien gesprochen.
Ein wesentliches Merkmal der Ökobilanz ist der Bezug der ermittelten Elementarflüsse (Stoff- und Energieströme im Austausch mit der Umwelt) und des verknüpften resultierenden Umweltwirkungspotenzials auf eine Einheit des Nutzens, den ein System erfüllt. Erst der Bezug auf diese sogenannte „funktionelle Einheit“ macht zwei Systeme mit gleicher Funktion hinsichtlich ihrer Umweltwirkungen vergleichbar.
Es ist naheliegend, dass Annahmen über Nutzungshäufigkeiten, Gebrauchszeiten oder Auslastungsgrade im Produktsystem das Ergebnis und damit die Schlussfolgerungen stark beeinflussen können. Umso wichtiger ist eine transparente und nachvollziehbare Kommunikation aller Annahmen und Bedingungen.
Im Gebäudebereich beziehen sich Umweltwirkungen häufig auf 1 m² nutzbare Gebäudefläche (zum Beispiel Nettoraumfläche NRF) je Jahr (UWP je m²NRF*a), um verschiedene Gebäude vergleichen zu können.
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ILG, Robert, 2009. GaBi - Ganzheitliche Bilanzierung. Methoden der nachhaltigen Stoffstrommodellierung [online]. Vorlesungsfolien. Stuttgart. 6 Oktober 2009. Verfügbar unter: https://www.oekobilanzwerkstatt.tu-darmstadt.de/media/oeko/2009_1/session_6___methodenerweiterung___lca_und_darueber_hinaus_oebw/Session6-Ilg.pdf