1. Die Ökobilanz in der Gebäudeenergieberatung – ein Überblick
5. Einstiegsbeispiel
Mit dem folgenden Einstiegsbeispiel können Sie sich einen Eindruck von der Methode Ökobilanz verschaffen, u. a. wie Sie vorgehen, in welcher Form die Ergebnisse vorliegen und welche Schlussfolgerungen Sie aus den Ergebnissen ableiten können.
Aufgabenstellung: Vergleich der Ökobilanz unterschiedlicher Baustoffe
Vergleichen Sie die Umweltwirkungen unterschiedlicher Baustoffe in einer konkreten Anwendung:
Einfeldträger, Spannweite 6 m, Feldbreite 4 m
Zu untersuchende Materialien:
Tabelle 2: Einstiegsbeispiel - Zu untersuchende Materialien
Material | Dichte [kg/m³] |
Masse [kg] |
Volumen [m³] |
Lebensdauer [a] |
|
---|---|---|---|---|---|
Stahlprofil | 7850 | 184,16 | 0,023 | 60 | |
Holzträger | 507 | 189,2 | 0,373 | 20 | |
Stahlbeton Unterzug | Stahl | 7850 | 69,24 | 0,009 | 60 |
Beton | 2400 | 2052,43 | 0,855 | 60 |
Verwenden Sie für den Vergleich die generischen Datensätze der Ökobaudat-Datenbank:
https://www.oekobaudat.de/no_cache/datenbank/suche.html
Gehen Sie davon aus, dass die Lebensdauer von Holz nur ein Drittel der Lebensdauer von Stahlprofil und Stahlbeton beträgt und beziehen Sie alle Ergebnisse auf die Lebensdauer als funktionelle Einheit.
Weisen Sie die Umweltwirkungen getrennt aus für die Module:- Herstellung (A1-A3)
- Entsorgung(C3,C4)
- Gutschriften (D)
Stellen Sie die Ergebnisse der Umweltwirkungen Treibhauspotenzial (engl.: global warming potential, GWP), Ozonbildungspotenzial (engl.: photochemical ozone creation potential, POCP) und Eutrophierungspotenzial (engl.: eutrophication potential, EP) dar.
Zu Gutschriften (D) werden Vorteile & Belastungen außerhalb der Systemgrenze gezählt. Nach dem Lebensende eines Produkts können dessen recycelte („sekundäre“) Materialien „primäre“ Materialien ersetzen, wodurch eine Primärproduktion vermieden ist. Diese Vorteile können als Gutschriften dem untersuchten Produktsystem angerechnet werden.
Hilfestellung zum Vorgehen
Gehen Sie wie folgt vor:
- Suchen Sie in der Ökobaudat 2021-II nach Ökobilanzdatensätzen der benötigten Baustoffe.

Folgende Datensätze können Sie verwenden:
Stahlprofil, Brettschichtholz, Bewehrungsstahl, Beton
- Stellen Sie das UWP der Baustoffe in den Modulen und den Kategorien Treibhauspotenzial (GWP), Ozonbildungspotenzial (POCP) und Eutrophierungspotenzial (EP) für die deklarierte Menge in einem Tabellenkalkulationsprogramm zusammen.
- Multiplizieren Sie das UWP des Baustoffs mit der von Ihnen im Einfeldträger benötigten Menge und dividieren Sie durch die Lebensdauer als funktionelle Einheit.
- Stellen Sie die Ergebnisse grafisch dar
- Überlegen Sie, ob die Berücksichtigung des Moduls D im Gesamtergebnis sinnvoll ist, wann eine Wirkungskategorie größere Beachtung finden sollte als andere und welche Variante Sie für die nachhaltigste halten.
Die hier bereitgestellte Excel-Mappe beinhaltet ein Mustervorgehen der vorgeschlagenen Punkte.
Ergebnisse und Diskussion
Im Folgenden sind die Umweltwirkungspotenziale der Varianten gegenübergestellt und diskutiert.
Beim GWP kann der negative Wert der Herstellung damit begründet werden, dass das benötigte Holz beim Wachsen der Bäume CO2 aus der Atmosphäre gebunden hat. Bei der Entsorgung des Holzes in Form thermischer Verwertung werden diese Treibhausgase wieder freigesetzt. Die Beträge stimmen nicht überein, da die Herstellung neben dem Wachstum weitere Prozesse der Verarbeitung mit weiteren Treibhausgasemissionen umfasst, um die der Betrag des GWP der Herstellung verringert wird.
Die Varianten Stahlprofil und Stahlbeton weisen deutlich geringer Emissionen aus der Entsorgung auf. Ohne Einbeziehung der Gutschriften liegen alle drei Varianten bei etwa 2,5-3 kg CO2-Äq./Jahr.
Die Gutschriften der Variante Holz resultieren aus der Nutzung des Altholzes zur Strom- und Wärmeerzeugung, wobei die Nutzung fossiler Brennstoffe vermieden wird. Unter Einbeziehung der Gutschriften weist die Variante Holz ein negatives GWP auf.
Abb. 2: Einstiegsbeispiel - Treibhauspotenzial der Einfeldträger
In der Wirkungskategorie POCP weist die Variante Stahlprofil das größte Umweltwirkungspotenzial in der Herstellung auf, während das die Herstellung bei den Varianten Holz und Stahlbeton gleich auf ist. Unter Einbeziehung der Gutschriften weist die Variante Holz wieder das geringste Umweltwirkungspotenzial auf.
Abb. 3: Einstiegsbeispiel - Ozonbildungspotenzial der Einfeldträger
Beim Eutrophierungspotenzial weist die Variante Holz in der Herstellung ein großes Umweltwirkungspotenzial auf sowie die höchsten Gutschriften. Auch mit Einbeziehung der Gutschriften fällt das EP der Variante Holz am höchsten aus, während die Variante Stahlprofil besser abschneidet als der Stahlbeton.
Abb. 4: Einstiegsbeispiel - Eutrophierungspotenzial der Einfeldträger
Wie Sie feststellen können, ist der „umweltfreundlichste“ Einfeldträger nicht eindeutig zu identifizieren. Das wird umso komplexer, je mehr Wirkungskategorien und Varianten Sie betrachten. Für eine „Verrechnung“ von Umweltwirkungen miteinander, um auf eine Ein-Punkt-Bewertung zu kommen, gibt es jedoch keine wissenschaftliche Grundlage (siehe Kapitel 4.2). Die Auswahl und Gewichtung der Umweltwirkungen ist daher den Anwender:innen von Ökobilanzen überlassen.
Vor dem Hintergrund des Klimawandels und der notwendigen Anstrengungen zur Reduktion des Treibhauseffekts ist das Treibhauspotenzial meist die Wirkungskategorie mit der größten Beachtung.
Im Bauwesen ist durch Nachhaltigkeitszertifizierungssysteme und die dort enthaltenen Gewichtungsfaktoren für unterschiedliche Umweltwirkungen eine Priorisierung bereits vorgenommen. Im Rahmen der QNG-Förderung hat der Gesetzgeber durch eine Fokussierung auf das Treibhauspotenzial und nicht erneuerbare Primärenergie eine Priorisierung durchgeführt, die als gute Orientierung dienen kann.