3. Energieflüsse und Energiebedarfe im Gebäude

3.4. Betrachtungsrahmen/Bilanzgrenze


Im Rahmen eines Energiekonzeptes werden nicht immer alle Energiebedarfe berücksichtigt. Die diversen Gebäudeenergielabels und -standards haben unterschiedliche Betrachtungsebenen und -grenzen. Für die Aussagekraft ist es daher entscheidend, die Bilanzgrenze, die Bilanzebene und die Bezugsgröße vorab klar zu definieren.

Die Bilanzgrenze definiert, welche Energieaufwendungen betrachtet werden – z. B. lediglich die Energieaufwendung für die Wärmebereitstellung während der Nutzungsphase eines Gebäudes, alle Energieaufwendungen im Gebäudebetrieb, einschließlich des Nutzerstroms und eventueller Prozessenergie, sämtliche Energieaufwendungen von der Herstellung über den Betrieb bis zum Rückbau eines Bauwerks oder auch Energiedienstleistungen über die Gebäudegrenzen hinaus auf städtebaulicher Ebene.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die betrachtete Bilanzebene. Ein etabliertes Maß für energetische Bilanzierungen, Nachweise und Bewertungen ist der Bedarf an Primärenergie. In der Regel wird dabei nur jener Anteil berücksichtigt, der aus nicht erneuerbaren Energiequellen bezogen wird. Zum Erreichen des gesetzlichen Mindeststandards, eines Effizienzhaus-Standards oder des Passivhausstandards sind unter anderem Grenzwerte für die nicht erneuerbare Primärenergie einzuhalten, die sich jedoch auf unterschiedliche Bilanzgrenzen beziehen. Für Nutzer:innen ist dagegen eher der Endenergiebedarf interessant, da es sich um die ins Gebäude gelieferte und damit zu bezahlende Energiemenge handelt. Die Betrachtung der Treibhausgasneutralität berücksichtigt wiederum keine Energiemengen, sondern die mit der Nutzung von Energieträgern verbundenen Treibhausgasemissionen. Die Bilanzebene für das konkrete Energiekonzept ist von der jeweiligen Zielsetzung abhängig.

Zuletzt unterscheidet sich der Bilanzraum je nach Bezugsgröße. Der gesetzliche Standard für Wohngebäude bezieht die Energiebedarfe auf die aus dem Gebäudevolumen berechnete Gebäudenutzfläche AN, während der Passivhausstandard die beheizte Wohnfläche als Bezug definiert. Bei Nichtwohngebäuden werden die Energiebedarfe im gesetzlichen Standard auf die Nettoraumfläche (NRF, früher Nettogrundfläche) bezogen. Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen berücksichtigen hingegen in der Regel die absoluten Endenergiebedarfe, bezogen auf das gesamte Gebäude. Auch eine personenbezogene Betrachtung kann sinnvoll sein, um die positiven Effekte angemessener Flächennutzung bezogen auf die Wohnfläche pro Person aufzuzeigen. In Zeiten steigender Komfort- und Flächenansprüche und einer daraus folgenden immer niedrigeren Belegungsdichte sind Pro-Kopf-Energiebedarfe aussagekräftiger als Energiebedarfe mit Flächenbezug.


Abb. 5: Parameter einer Plus-Energie-Standard-Definition; Quelle: ina Planungsgesellschaft mbH



Es ist zu beachten, dass aus der bilanziellen rechnerischen Ermittlung von Energiebedarfen nicht ohne weiteres auf verlässliche, zu erwartende Energieverbräuche geschlossen werden kann. Durch die zur energetischen Bilanzierung gewählte Bezugsgröße, die betrachtete Bilanzebene, Norm-Randbedingungen (z. B. Referenzklima, Raumtemperaturen etc.) und nicht zuletzt das Nutzerverhalten (oder Leerstände) können die später gemessenen Verbrauchswerte deutlich von den vorherigen Bedarfsberechnungen abweichen und dem tatsächlichen Erreichen des angestrebten Energiestandards entgegenwirken.