BM2.1 Grundlagen des energieeffizienten Bauens
4. Passive und aktive Maßnahmen zur energetischen Optimierung
4.1. Passive Maßnahmen zur Reduzierung des Energiebedarfs
Baukörper, Konstruktion und Materialien sollten bei Planungsbeginn so aufeinander abgestimmt werden, dass das Gebäude im Jahresverlauf über einen möglichst langen Zeitraum ohne umfangreiche technische Unterstützung ein behagliches Raumklima bereitstellen kann. Passive Maßnahmen ermöglichen die Reduzierung komplexer Anlagentechnik, sie sind zeitlos, effizient, robust und in der Regel wirtschaftlich umsetzbar.
Die Gebäudestruktur hat erheblichen Einfluss auf den Energiebedarf eines Gebäudes. Diverse Parameter, wie unter anderem Kompaktheit, Orientierung, Zonierung, Qualität der Hülle, Fensterflächenanteil und natürliche Lüftung können durch Optimierungen Energie einsparen.
Nachfolgend werden einige, vor allem für Wohngebäude gültige passive Maßnahmen aufgeführt, die im weiteren Verlauf des Lehrgangs wieder aufgegriffen und vertieft werden:
- Minimierung der Gebäudeoberfläche gegenüber dem Volumen (günstiges A/Ve-Verhältnis). Kompakte Gebäude verlieren über die kleinere Oberfläche weniger Wärme.
- Optimierung der Dämmqualität
- Orientierung und Öffnung des Gebäudes zur Sonne. Die Nutzung solarer Gewinne ist im Winter erwünscht, im Sommer kann sie jedoch zur Überhitzung des Gebäudes beitragen. Größe und Ausrichtung der Öffnungen, bauliche Verschattung sowie Sonnenschutzsysteme sollten dem Rechnung tragen. Entsprechend gilt:
- Selektive Verschattung, Schutz vor steiler Sommersonne bzw. flachem Lichteinfall im Osten und Westen
- eher geschlossene/opake Hüllfläche im Norden. Fenster und transparente Bauteile haben wesentlich höhere Wärmeverluste als opake Fassadenflächen. Gleichzeitig tragen Fenster auf der Nordseite nicht zur Nutzung solarer Gewinne bei (fehlende Solarstrahlung).
- Solare Zonierung – kühle Nebenräume im Norden, warme Aufenthaltsräume im Süden. Die Nebenräume wirken als Puffer zur wärmeverlierenden Nordfassade, die Aufenthaltsräume werden durch die Sonne erwärmt.
- Funktionale Grundriss-Zonierung – Installationskerne, Nutzungseinheiten
- Nutzung von Speichermassen zum Temperaturausgleich. Massive Konstruktionen speichern die einfallende Solarstrahlung und können sie zeitverzögert (zum Beispiel in der Nacht) wieder abgeben. Gleichzeitig reduzieren sie den solarstrahlungsbedingten Temperaturanstieg im Raum und erhöhen den Komfort im Sommer.
- Freie, nächtliche Kühlung. Solare Wärmeeinträge im Sommer werden von der (massiven) Gebäudekonstruktion gespeichert. Die gespeicherte Wärme sollte nachts über Lüftungsöffnungen an die kühle Nachtluft abgegeben werden, damit die Speichermasse am nächsten Tag wieder entladen ist. Dieser Vorgang wird als Nachtauskühlung bezeichnet.
Auch viele Low-Tech-Konzepte nutzen passive Strategien und kombinieren diese mit einfachen technischen Komponenten:
- Erdkanäle zur Vorkonditionierung (Erwärmung und Kühlung) der Zuluft. Das Erdreich weist ganzjährig nahezu gleichbleibende Temperaturen auf. Wird im Gebäude benötigte Frischluft durch einen Erdkanal geführt, kann sie im Winter vorgewärmt und im Sommer vorgekühlt werden.
- Luftkollektoren in der Fassade. Die Frischluft wird hinter verglasten Flächen vor Wänden oder auf Dächern geführt und dort vorgewärmt, bevor sie ins Gebäude gelangt. Ein Wintergarten kann diese Aufgabe ebenfalls übernehmen. Die im Winter erwünschte Erwärmung kann im Sommer jedoch zu einer Überhitzung führen.
- Adiabate Kühlung (Verdunstungskühlung). Bei der Verdunstung von Wasser wird der Umgebung Wärmeenergie entzogen. Dieser Effekt kann über Wasserflächen am Gebäude oder auch in Lüftungsanlagen zur Kühlung genutzt werden. Dabei ist zu beachten, dass sich die relative Luftfeuchte durch die Verdunstung erhöht.
- Lichtlenkelemente in Verschattungssystemen. Verschattungssysteme (Rollläden, Markisen, Lamellen) sorgen systembedingt dafür, dass weniger Solarstrahlung und somit auch weniger Licht in ein Gebäude gelangt. Lichtlenkende Systeme können diese unerwünschte Nebenwirkung und den Einsatz von künstlicher Beleuchtung mit entsprechendem Energieverbrauch verringern.
- Wärmerückgewinnung aus der Abluft. Bei hohen internen Wärmelasten (Personen, Geräte) kann ein großer Teil des Wärmebedarfs über eine Wärmerückgewinnung aus der Abluft gedeckt werden. Voraussetzung ist meistens der Einsatz einer mechanischen Be- und Entlüftung (Lüftungsanlage).
- Betonkern- und Bauteilaktivierung bezeichnet die Durchströmung massiver Bauteile mit Wasser oder (seltener) Luft und sorgt für eine Erwärmung oder Abkühlung der Bauteile, sodass diese wiederum Wärme oder Kälte an den Raum abgeben können. Für die Kühlung mittels Bauteilaktivierung können natürliche Quellen z. B. das Grundwasser oder das Erdreich genutzt werden.
Die beschriebene passive Nutzung solarer Wärmegewinne, besonders bei Wohngebäuden, wird auch mit dem Stichwort „solares Bauen“ bezeichnet. Insbesondere in den 80er und 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurden hinsichtlich passiver solarer Gewinne optimierte Gebäudekonzepte entwickelt. Das „Passivhaus“ bzw. der Passivhausstandard, also ein Gebäude, das im Wesentlichen nur mittels solarer und interner Gewinne beheizt wird, stellt in gewisser Hinsicht den Endpunkt dieser Entwicklung dar. Die notwendige Ausrichtung zur Sonne sowie die resultierenden Dämmstärken haben dabei erheblichen Einfluss auf die Gestalt des Gebäudes. Der Standard, der vor allem aus dem winterlichen Wärmeschutz heraus entwickelt worden ist, verlangt darüber hinaus eine sorgfältige Planung des sommerlichen Wärmeschutzes (Sonnenschutz), um eine Überhitzung im Sommer zu vermeiden.
Für Nichtwohngebäude mit hohen internen Wärmegewinnen aus Personen oder Geräten, zum Beispiel Schulen oder Bürogebäude, können andere entgegengesetzte Strategien angeraten sein. Eine Öffnung des Gebäudes zur Sonne wäre in diesem Fall zum Beispiel zu vermeiden.