BM2.1 Grundlagen des energieeffizienten Bauens
5. Nutzung erneuerbarer Energien
Selbst der reduzierte Energiebedarf von energieeffizienten Gebäuden kann erhebliche fossile Energieverbräuche und entsprechende CO2-Emissionen verursachen. Daher ist der verbleibende Wärme- und Strombedarf möglichst aus erneuerbaren Energiequellen zu decken. Die folgenden erneuerbaren Energiequellen können für die Konditionierung von Gebäuden genutzt werden:
- Sonne
- Wind
- Außenluft
- Abluft aus Lüftungsanlagen
- Abwärme aus Prozessen im Gebäude oder aus Nachbargebäuden
- Biomasse (fest, flüssig oder gasförmig)
- Oberflächenwasser/Regenwasser
- Gezeiten (theoretisch, in der Regel nicht auf dem eigenen Grundstück erschließbar)
- Erdreich (oberflächennah oder als Tiefengeothermie)
- Abwasser auf dem eigenen Grundstück oder im städtischen Kanalnetz
- Grundwasser
Die theoretischen Potenziale erneuerbarer Energien sind erheblich und übersteigen den weltweiten Energiebedarf um ein Vielfaches. Das technische, also wirklich erschließbare Potenzial, ist deutlich geringer, aber immer noch größer als der globale Energiebedarf. Die Einschränkungen ergeben sich aus Entfernungen (z. B. Wind oder Solarenergie, die in Gegenden ohne nennenswerten Bedarf anfällt wie Polregionen oder Meere), geologischen Einschränkungen (Nutzung von Wärme aus dem Erdinneren oder Gezeitenkräfte nur in bestimmten Regionen möglich), aber auch der Verfügbarkeit von Rohstoffen für die Erschließung (z. B. Rohstoffe zur Herstellung von Photovoltaikzellen).
Abb. 8: Theoretisches und technisches Potenzial erneuerbarer Energieträger; Quelle: ina Planungsgesellschaft mbH, vgl. Hegger, Fuchs, Stark, Zeumer, „Detail Energieatlas – nachhaltige Architektur“, Edition Detail, Birkhäuser Verlag, 2007, überarbeitet von ina Planungsgesellschaft mbH
Nicht immer stehen bei einem Grundstück/Gebäude alle genannten Quellen zur Verfügung und nicht für jede Gebäudenutzung sind die vorhandenen Temperaturniveaus direkt oder indirekt nutzbar oder reicht die bereitgestellte Leistung aus. Des Weiteren unterliegt die Verfügbarkeit mancher erneuerbarer Energieträger tages- (z. B. Sonne) oder jahreszeitlichen (z. B. Außenluft) Schwankungen. Kombinationen verschiedener erneuerbarer Energiequellen oder die Kombination mit nicht erneuerbaren Quellen können diese Schwankungen ausgleichen. Die nachfolgende Tabelle zeigt die Erschließung, Nutzungsmöglichkeiten (elektrisch, thermisch) sowie die verfügbaren Temperaturniveaus erneuerbarer Energieträger:
Energieangebot | Erschließung | elektrisch | thermisch | Temperaturniveau | Anmerkung |
---|---|---|---|---|---|
Erdgas Erdöl Holzpellets Holzhackschnitzel Pflanzenöl Biogas |
Leitung/Anlieferung/Heizkessel | x | 60-90 °C | Dampfkessel > 100 °C | |
Leitung/Anlieferung/BHKW | x | x | 70-90 °C | ca. 20-40 % elektrisch und 60-80 % thermisch je nach Größe |
|
Netzstrom | Stromanschluss | x | - | Niederspannung 220 V | |
Fern-/Nahwärme | Übergabestation | x | 90-130 °C | ||
Fern-/Nahkälte | x | ca. 5 °C | |||
Erdreich | Erdsonden | x | 12 °C | 50-100 W/m Sonde, genehmigungspflichtig |
|
Erdregister | x | 12 °C | 10-35 W/m² Erdregister | ||
Grundwasser | Erdsonden | x | 10-12 °C | Phasenverschiebung zwischen Sommer und Winter | |
Solarstrahlung | Flachkollektor (Luft) | x | bis 80 °C | mind 10 °C über Außentemperatur | |
Flachkollektor (Wasser) | x | 80 °C | |||
Vakuumröhrenkollektor (Wasser) | x | 150 °C | auch für Prozesswärme geeignet | ||
Photovoltaik | x | - | 50-150 WP/m² | ||
Außenluft | Wärmetauscher | x | = Außentemperatur | ||
Oberflächenwasser | x | 0-25 °C | saisonal unterschiedlich | ||
Abluft | x | 20-24 °C | bei Abluft aus Industrie ggf. höher | ||
Abwasser | x | 15-23 °C | mind. 25-50 Wohneinheiten anschließen | ||
Regenwasser | x | = Außentemperatur | Nutzung für adiabate Kühlung | ||
Wind | Kleinwindanlage | x | - | bis 100 kW/Anlage |
Abb. 9: Darstellung der äußeren Wärmequellen und -senken (Abwesenheit von Wärme, Kälte), ihrer möglichen Erschließung, Energieform (elektrisch oder thermisch) und ggf. ihres Temperaturniveaus; Quelle: Hegger, Hartwig, Keller, Scale – Wärmen und Kühlen, S. 35, überarbeitet von ina Planungsgesellschaft mbH
Die Prüfung der Verfügbarkeit erneuerbarer Energieträger ist Teil der Grundlagenermittlung für die Entwicklung von Energiekonzepten.
Grundsätzlich kann nur eine bestimmte Energiemenge aus lokal verfügbaren erneuerbaren Energien gewonnen werden, da die dafür nutzbaren Flächen begrenzt sind. So ist z. B. die Größe der Dachfläche eines Gebäudes, auf der z. B. eine Photovoltaikanlage installiert werden kann, weitgehend unabhängig von der Anzahl der darunterliegenden Geschosse, in denen die produzierte Energie verbraucht wird. Während also eine PV-Anlage auf einem dreigeschossigen Gebäude vermutlich einen großen Teil des über das Jahr benötigten Stroms bereitstellen kann, wird dies bei einem zehngeschossigen Gebäude nicht mehr der Fall sein. Gleiches gilt für die verfügbare Grundstücksfläche zur Nutzung von Erdwärme mittels Erdsonden oder Erdregistern. In dicht bebauten Innenstädten wird diese Fläche in der Regel nicht ausreichend groß zur Verfügung stehen, in ländlichen Regionen mit großen Grundstücken und im Verhältnis kleinen Gebäude dagegen schon. Der mögliche Grad der Nutzung erneuerbarer Energien für die Versorgung von Gebäuden ist also vom sogenannten Maß der baulichen Nutzung (Grundflächenzahl, Geschossflächenzahl) abhängig.
Abb. 10: Potenziale von Photovoltaikanlagen zur Deckung des Strombedarfs für verschiedene städtebauliche Dichten (definiert über Grund- und Geschossflächenzahl). Möglicher Deckungsanteil dachintegrierter Photovoltaik am Strombedarf von Wohn- und Bürogebäuden; Quelle: Hegger, Hartwig, Keller, Scale – Wärmen und Kühlen, S. 34, überarbeitet von ina Planungsgesellschaft mbH
Abb. 11: Potenziale solarthermischer Anlagen zur Deckung des Trinkwarmwasserbedarfs für verschiedene städtebauliche Dichten (definiert über Grund- und Geschossflächenzahl). Möglicher Deckungsanteil dachintegrierter Solarthermie am Trinkwarmwasserbedarf von Wohngebäuden; Quelle: Hegger, Hartwig, Keller, Scale – Wärmen und Kühlen, S. 34, überarbeitet von ina Planungsgesellschaft mbH
Abb. 12: Potenziale von geothermischen Anlagen zur Heizung und Kühlung für verschiedene städtebauliche Dichten (definiert über Grund- und Geschossflächenzahl). Mögliche Deckungsgrade der Geothermie (Erdsonden bis 99 m Länge) am Heiz- und Kühlenergiebedarf von Wohn- und Bürogebäuden; Quelle: Hegger, Hartwig, Keller, Scale – Wärmen und Kühlen, S. 34, überarbeitet von ina Planungsgesellschaft mbH
Beim Einsatz von Photovoltaik und/oder Solarthermie sollten Sonnenstandsanalysen und Verschattungsstudien am Bauplatz durchgeführt werden, um die Technologie effizient einsetzen zu können (z. B. mit PVSol, SketchUp).
Trotz zunehmender Einsparbemühungen ist der Stromverbrauch in Gebäuden immer noch tendenziell ansteigend. Bei einer nicht konstanten Verfügbarkeit von regenerativ erzeugtem Strom (z. B. durch die Witterungsabhängigkeit von Solarstrahlung und Wind) wird häufig das öffentliche Netz als Puffer genutzt. Alternativ kann der selbst erzeugte Strom in Batterien gespeichert oder zum Aufladen von Elektro-Fahrzeugen genutzt werden.
Durch intelligente Stromzähler und das Angebot eines Hoch- und Niedertarifs für Strom versuchen Energieversorger:innen Gebäudeeigentümer:innen dazu zu ermutigen, den Energieverbrauch im Gebäude dem Energieangebot anzupassen. Individuelle Regelungsstrategien zur Gebäudeautomation und Lastmanagementkonzepte können dazu beitragen, die Haustechnik bedarfsgerecht zu steuern und die Nutzung erneuerbarer Energiequellen zu erhöhen.